Orthodoxie heißt:
Rechter Lobpreis Gottes im rechten Glauben (orthos+doxa). Dieser Lobpreis ist nicht ein privater Akt, sondern eine Liturgie, ein “Volksdienst” (leitourgia= Leitou/Volk+ergon/Werk). Sie ist in erster Linie der Akt (das offensichtliche Werk) nicht nur des Priesters, sondern des kirchlichen Volkes Gottes (Ekklesia) in Christus. Das bedeutet, daß die Identität der Orthodoxie weder in einer Doktrin noch in einem Organisationssystem, sondern im rechten herzlichen Lobpreis des dreieinigen Gottes besteht. Die Kirche ist kein Verein von Gläubigen und keine Institution, sondern eine eucharistische Gemeinschaft, in der der dreifaltige Gott der Liebe und des Friedens gegenwärtig ist.
Kern und Höhepunkt des orthodoxen liturgischen Lebens ist die Eucharistie-Feier, die Göttliche Liturgie. “Die Eucharistie wird im Osten nicht als eines der Sakramente in der Kirche aufgefasst, sondern als das Mysterium und die Offenbarung der Kirche selbst, als Mysterium der Versammlung (synode), als Mysterium der Kommunikation oder Gemeinschaft (koinonia) und als Mysterium der Einheit Christi mit seiner Kirche” (Jevic). Das Wesen der Kirche wird von der Eucharistie bestimmt und nicht umgekehrt. Die eucharistische Versammlung wird zu dem Ort, wo die zerstreuten Glieder der Kirche geheimnisvoll im Namen Christi Glieder des Leibes Christi werden. In diesem Sinne ist jede eucharistische Gemeinde, welche in sich alle Gläubigen des betreffenden Ortes mit dem Bischof an der Spitze vereinigt, die heilige, katholische und apostolische Kirche. Der Bischof (oder der Priester) erscheint dort nicht als Vertreter Gottes sondern als Vorsteher der eucharistischen Versammlung und Vollbringer der Eucharistie “in der Gestalt Christi” (Ignatios Magn.6.1).
In der Eucharistie-Feier werden alle herrlichen Taten Gottes wieder erfahren, verkündigt und gefeiert. Die göttliche Liturgie ist ein Mysterien-Drama, ein Geheimnis, das die gesamte Heilsgeschichte inklusive auch der eschatologischen Realität (der Gegenwärtigkeit und Mitteilbarkeit des himmlischen Reiches) umfasst und die Gemeinschaft (koinonia) der Menschen mit Gott und untereinander lebendig macht. Dadurch wird das neue Leben Gottes geschenkt und die Einheit der Gläubigen mit dem himmlischen Vater und untereinander geschaffen.
Der Liturgie verdankt die Kirche ihr Leben und viele orthodoxe Nationen ihr Überleben. |
Im orthodoxen Gottesdienst wird bewusst der ganze Mensch angesprochen. Die Augen erblicken den Glanz der Lichter, der Kerzen und der Leuchter vor den Ikonen, welche die Sinnbilder des leuchtenden Glaubens und der warmen und strahlenden Liebe sind. Die Ohren hören den einstimmigen byzantinischen Gesang des Chores, die Worte der Heiligen Schrift und die Predigt (das Mysterium des Logos), die Aufforderungen des Priesters (worauf die ganze Gemeinde antwortet) und besonders die “Epiklese”, die Anrufung des Hl.Geistes. Der Hl.Geist verwandelt den Wein und das Brot (diese Erstlinge der materiellen Schöpfung Gottes) in Leib und Blut Christi (das Mysterium der Eucharistie). Der Geruchsinn wird vom Weihrauch in Anspruch genommen, mit dem als Zeichen der Ehrerbietung der Altar, die Ikonen und die Gemeinde (die lebendigen “Ikonen Gottes”) beräuchert werden. Der Tast- und Geschmackssinn wird angesprochen bei der Hl.Kommunion und der Einnahme des Antidoron (das aus den Teilen des nicht für die Eucharistie gebrauchten Abendmahlbrotes besteht), das bei der Entlassung an alle anwesenden Gläubigen verteilt wird.
Ein Merkmal der orthodoxen Eucharistie-Feier ist die Brotbrechung und Mischung der Elemente: Zwar kommunizieren die Zelebranten erst den Leib und dann das Blut des Herrn, für die Gemeinde jedoch wird das konsekrierte Brot in den Kelch hineingelegt, so dass die Vereinigung von Leib und Blut Christi stattfindet. Daraus reicht der Diakon, der Priester oder der Bischof den nüchternen Gemeindemitgliedern die Kommunion mit einem Löffel. Das heißt Brot und Wein gemeinsam – Kommunion unter beiden Gestalten.
Die orthodoxe Kirche ist reich an liturgischen Gesten, das Niederknien, das Berühren des Bodens mit der Hand und der Stirn. Diese Gesten drücken die Teilnahme des menschlichen Körpers (des “Tempels des Hl.Geistes”) am Heilgeschehen aus. Während des Beten bekreuzigt man sich immer wieder. Zum Kreuzzeichen faltet man die drei ersten Finger der rechten Hand zusammen und drückt die zwei letzten zur Handfläche. Dann berührt man nacheinander die Stirn, die Brust, die rechte Schulter und dann die linke. Das Kreuzzeichen heißt auch das kleine Glaubensbekenntnis denn die drei zusammengefalteten Finger sagen: „Ich glaube an den dreieinigen Gott“ und die zwei zur Handfläche gedrückten Finger besagen: „Ich bekenne, daß Christus zwei Naturen hat, eine göttliche und eine menschliche“. Das damit bezeichnete Kreuz besagt: „Ich bekenne mich zu Christus, der für uns gekreuzigt wurde“.
Nach der Kommunion singt die eucharistische Gemeinde frohlockend das folgende Troparion, das auch das orthodoxe Verständnis von der Eucharistie wiedergibt:
“Das wahre Licht haben wir gesehen, den Geist vom Himmel empfangen, den rechten Glauben gefunden. Die unteilbare Dreieinigkeit beten wir an, denn sie hat uns erlöst.”
Um dieses Troparion im griechischen Original anzuhören, vorgetragen vom ehemaligen ersten Psalmisten unserer Gemeinde, Prof. Dr. Theol. Sotirios Despotis, klicken Sie auf das untere Symbol.